Unterwegs per Rad in Gdansk

Um uns herum wird viel Deutsch gesprochen. Eindeutiger Hinweis dafür, dass wir uns in touristisch interessantem Gebiet befinden. Die kurze Strecke von der Tram zum Hotel gleicht auch ein bisschen einem Spießrutenlauf entlang lockender Stadtführer und Hunderter Verkaufsstände. Ende Juli, Anfang August wird in Danzig drei Wochen lang zu Ehren des Heiligen Dominik ein Markt begangen, der Besucher von nah und fern heranlockt und Corona Abstandsregeln völlig außer Kraft setzt.

Der Markt ist die Fortführung einer fast 700 Jahre alten Tradition, denn bereits im 13. Jhd. kamen Kaufleute aus allen Himmelsrichtungen nach Danzig, um ihre Waren zu verkaufen.

Was auch immer man immer schon mal kaufen wollte: Während dieser drei Wochen bekommt man es garantiert auf Europas größtem Freiluftmarkt.

Wir hatten keine Ahnung was genau das in der Umsetzung unseres Besichtigungsplanes bedeutet, aber schnell wird klar, dass wir die schönen Seiten Danzigs nur früh morgens, oder spät abends wirklich genießen können, denn tagsüber herrscht Gedränge.

Beschreibung
Unser Hotel liegt gegenüber des Grünen Tores auf der anderen Flussseite, verbunden durch eine Fußgängerbrücke. Bester Ausgangspunkt um zu Fuß, oder per Rad die Erkundung zu beginnen. Direkt hinter dem Grünen Tor beginnt das wahre Staunen, denn das wiederhergerichtete Altstadtensemble entlang des Langen Marktes und in den Strassen parallel dazu ist außerordentlich prächtig. Der Ursprung der meisten Gebäude in der sogenannten Rechtstadt Glowne Miasto, datiert zwischen dem 14. und 17. Jahrhundert und ich werde ehrfürchtig in Gedenken an den Ausdruck polnischer Willensbekundung die Kriegsschäden radikal auszumerzen und ihre Stadt wieder prunkvoll aufzubauen wie zuvor. Einzelne Sehenswürdigkeiten kann ich gar nicht aufzählen, denn jedes Haus ist einzigartig.
Auf dem Plan steht neben Altstadt Besichtigung das Solidarnosc Museum im Werftgelände, ein Ausflug ans Meer und dabei ein Abstecher zum Geburtshaus von Günther Grass.

  1. Tag Grünes Tor, Frauengasse – Solidarnosc Museum
    Das Solidarnosc Museum zeigt die Geschichte der Streikbewegung um den Anführer Lech Walesa 1980 und ihren Einfluss auf Geschichte bis heute an teils original Schauplätzen.  Hochmodern, geräumig,  Ausstellung interaktiv und informativ. Den kostenlosen Audioguide sollte man auf jeden Fall nutzen, denn die Ausstellungsstücke sind auf polnisch und englisch. Wir waren gut drei Stunden vor Ort.
  2. Tag Danzig – Sopot und baden in der Ostsee
    Frühmorgens durch die Rechtstadt mit freiem Blick auf die Kulissen, anschließend zum Stadtteil Wrzeszcz, wo in der Lelewela 13, eine Plakette am Haus auf Günther Grass aufmerksam macht, dessen Eltern hier einen Kolonialwarenladen führten.
    Weiter Richtung Wasser. Die Strecke ist nicht besonders schön, erst in der Nähe der Ostsee wird es zunehmend grüner. Der Strand ist viele Kilometer lang, breit und eignet sich hervorragend für lange Spaziergänge. Mit dem Rad fährt man hinter der Düne am Strand entlang, sieht somit nicht das Wasser, bekommt aber etwas vom polnischen Strandleben mit, welches sich von dem auf der anderen Seite der Grenze nur in der gesprochenen Sprache unterscheidet. Ansonsten Kioske, Imbisse – wie überall.
    Zurück in Danzigs Innenstadt nutzen wir den frühen Abend für einen Aufstieg auf den Aussichtsturm der Marienkirche (409 Stufen!) und einen Blick auf das Stadtpanorama.
  1. Tag Innenstadt
    Nochmals früh morgens los und einfach nur das Wetter und die Ruhe genießen, bevor die Tagetouristen in die Stadt kommen, bzw. die Familien ihre Hotels verlassen und die Händler ihre Stände öffnen.

Fazit
Eine wirklich sehenswerte Stadt und allemal 2-3 Übernachtungen wert. Es ist empfehlenswert sich eine Jahreszeit zu suchen, in der man von den Tagestouristen der Kreuzfahrtschiffe verschont wird. Aufgrund der doch begrenzten Altstadt muss das Gedränge hier im Hochsommer entsetzlich sein und eher einem Rummel ähneln. Mit dem Rad kommt man gut überall hin und oft kann man direkt am Wasser entlang fahren und den Blick auf die jahrhundertalte Kulisse geniessen.

Zu beachten im Verkehr
Entlang vieler breiter Straßen zieht sich mindestens auf einer Seite ein Radweg für Fahrten in beide Richtungen. Einige Radwege sind auf der Straße ausgewiesen, meist fahren die Polen jedoch auf dem Bürgersteig. Die Fußgänger sind entspannt mit Radfahrern, wohingegen Autofahrer (sehr viele mit soundgetunten Motoren) oft gefährlich nah an Radfahrern vorbeirauschen.

Einbahnstrassen sind für Räder meist auch in entgegengesetzter Richtung befahrbar.
Nicht überall ist der Boden gleichmäßig gepflastert. Ordentliche Schlaglöcher und erst aus der Nähe zu sehenden Stufen kommen immer mal wieder vor. Besonders in der direkten Altstadt gibt es Kopfsteinpflaster mit großen Lücken, was schmalen Rennradreifen nicht gut tut.

In ganz Polen gilt: Zebrastreifen sind eine Einladung für Autofahrer auf überquerende Fußgänger und Radler zu achten, sie müssen die Einladung jedoch nicht annehmen. Auf das Recht unbeschadet zu kreuzen kann man hoffen, es könnte jedoch der erste und letzte Fehler sein, den man in Polen begeht.

Fahrradverleih
Wer keine Unterkunft mit Radverleih hat, kann sich bei diesen beiden Anbietern umschauen.
http://www.rowerpartner.pl
https://rentabikegdansk.pl

Karten und Apps
Neben Google Maps nutzen wir die App maps.me (Detailkarten aller Regionen im Vorfeld runterladen)

Übernachtung

In ganz Polen gibt es lediglich zwei nachhaltig zertifizierte Hotels, gar nicht so einfach also, wo man braucht eine entsprechende Übernachtung zu finden.

Im Endeffekt einigten wir uns auf die polnische Kette PURO. Sie bezeichnet sich als eco-friendly und wirbt mit modernen Zimmern, gutem W-Lan, kostenlosen Fahrrädern, Zimmerreinigung und Handtuchwechsel auf Wunsch.

Check-In und out ist papierlos am Tablet. Auf dem Zimmer gab es Gläser (dazu Mineralwasser aus Plastikflaschen), nachfüllbare Seifenspender und auf jeder Etage Mülleimer zum Trennen der Wertstoffe. Beim Öffnen des Fensters geht die Klimaanlage aus und während der zwei Tage war in der Tat niemand in unserem Zimmer aufräumen, oder die Handtücher wechseln. Das Frühstücksbuffet war coronabedingt nicht ganz plastikfrei, aber in der Regel ist es wohl so. Das ist in Teilen schon mal ein guter Ansatz, eco-friendly mit Einschränkungen, kann man sagen.

Unsere Unterkunft in Danzig war im PURO, Stagniewna 26, ca. 15 Minuten vom Hauptbahnhof per Tram entfernt direkt im modernen Stadtteil Stare Miasto. Der einem Handelshaus nachempfundenen Neubau liegt zentral im Erdgeschoss befindet sich ein schickes, hippes öffentliches Restaurant. Die Bar im achten Stock ist genauso angesagt und bietet einen Panoramablick über Teile des Hafens. Alle Zimmer sind modern, komfortabel und ansprechend eingerichtet und verfügen über bodentiefe Fenster. Tipp: Grandioser Blick aus den oberen Etagen, bei Buchung gleich als Wunsch eintragen lassen. https://purohotel.pl/en/gdansk

Essen
Viele Restaurants haben von früh bis spät geöffnet und offerieren Frühstück, Mittag- und Abendkarte. Ich habe sie in der Rubrik aufgeführt, in der wir dort eingekehrt sind. Es gibt meist auch eine englische Speisekarte. Die Preise sind ca. 1/3 günstiger als in Deutschland und die Qualität sehr gut. Neben typisch polnischen Spezialitäten findet man jede Art internationaler Küche, sowie viele vegetarische/vegane Restaurants. Trinkgeld wie bei uns, ca. 10 % vom Rechnungspreis.

Mir haben gut gefallen…
Ducha, Swietego Ducha, 66 sehr cooler, hipper Laden mit kleiner Frühstückskarte

Restaurant Niepokorni, Chmielna 72/5, in einem Neubaukomplex mit Außenterrasse, kleines, ausgesuchtes Angebot

Avocado, Wajdeloty 25, Stadtteil Wrzeszcz, vegane Bistroküche

Manna 68, Swietego Ducha 68, vegetarisch-veganes Restaurant, modernes Ambiente und ambitionierte Küche

Zafishowani, Tokarska 6, gehobenes Fischrestaurant mit Außenterrasse direkt an der Promenade, aufmerksamer Service und gute Weinkarte

Literaturtipps
Sympathie Magazin Polen
Gebrauchsanweisung Polen: Autor Knapp, Radek; Piper Verlag
Polen – Ein Länderportrait: Autorin Brigitte Jäger-Dabek; Ch. Links Verlag